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Rügen im Regen

Der erste Gedanke, bei Rügen als Urlaubsziel, ist der an endlose Kreideklippen. Dann natürlich ausgedehnte Buchenwälder und niedliche Dörfer in Bäder-Architektur-Ästhetik. Weiter reicht mein Wissen noch nicht. Ich besorge mir Lesestoff – einen Reiseführer mit großem Wanderkapitel und die Gebrauchsanweisung für Rügen, aus der sehr lesenswerten Reihe des Piper-Verlags – dennoch bleibt die Vorstellung, was mich auf Rügen wohl erwartet erstmal theoretisch und wage. Um das zu ändern und weil allseits bekannt zu sein scheint, dass es nirgends an der deutschen Küste einen schöneren Flecken gibt, planen Richy und ich, dieses Jahr über Silvester auf jener Ostseeinsel zu verbringen.
Rügen im Regen

Hoch über dem Meer

Rügen im Regen

Hoch über dem Meer

Rügen im Regen

Auf dem Nordperd-Wanderweg

Rügen im Regen

Auf dem Nordperd-Wanderweg

Rügen im Regen

Auf dem Nordperd-Wanderweg

Rügen im Regen

Am Meer

Zur Begrüßung Regen

Rügen ist, auf der Karte betrachtet, eher eine Ansammlung von Halbinseln, die, vom Meer und unzähligen Seen durchzogen, über schmale Landbrücken miteinander zusammenhängen. Auf den ersten Blick etwas verwirrend, aber nicht uninteressant. Dann noch  Hiddensee und Ummanz als wirkliche weitere Inseln, die wir uns vielleicht auch ansehen werden – wirkt spannend.

Wo kommen wir unter? Das ist im Winter immer eine komplizierte Frage. Es gibt zwar Campingplätze. Die telefonieren wir der Reihe nach durch und sind in einem Fall auch erfolgreich. Jedoch nur soweit, dass überhaupt jemand ans Telefon geht. „Nein, es ist geschlossen. Außerdem können wir das auch nicht verantworten. Es gibt Sturm – das werden sie nicht überleben! Nicht mit einem Zelt.“ Mein Widerspruch verhallt ungehört. Und dass man nicht für zwei verirrte Camper alles aufschließt, kann ich dann doch auch verstehen. Zelten ist damit wohl keine Option, das wird also erst mal nichts werden.

Dafür findet sich eine Unterkunft auf dem Festland in Stralsund. Das ist ja beinahe, wie Urlaub auf Rügen. Und dank der Brücke zwischen der Stadt und der Insel und einem regen öffentlichen Nahverkehr auch kein Hindernis, wenn wir uns auf Rügen umsehen wollen. Also werden wir auf die Insel pendeln.

Bei unserer Ankunft auf Rügen empfängt uns erst einmal Regen und auch ein mäßiger Ostseesturm. Nicht so schlimm, dass ich mir Zelten nicht mehr vorstellen könnte. Aber dennoch nass und durchdringend und ungemütlich. Damit – so stellt sich schnell heraus – bleibt uns eine der großen Rügen-Attraktionen verwehrt: Die Kreideklippen. Am Strand entlang zu gehen, wenn Regenwetter die Klippen aufgeweicht oder gar ein Sturm loses Gestein weiter gelockert hat, wäre lebensgefährlich. Davor warnen alle – und das zu Recht. Denn jedes Jahr verunglücken bei einer solchen Gelegenheit Urlauber. Auch sind einige der schönsten Abschnitte des Hochuferweges gesperrt, von wo aus wir auf die Kreide hätten blicken können. Die Gefahr, dass der Weg abbricht wäre zu groß. Eine herbe Enttäuschung. Vielleicht gelingt ja aus der Ferne ein Blick? Wir werden sehen.

Rügen im Regen

Seebrücke Sellin

Rügen im Regen

Seebrücke Sellin

Rügen im Regen

Seebrücke Sellin

Rügen im Regen

Seebrücke Sellin

Rügen im Regen

Seebrücke Sellin

Zum Wandern zu nass

Dann eben die Dörfer. Darüber habe ich inzwischen einiges gelesen. Gerade über die Kurdörfer an der Ostküste wird viel Spannendes erzählt. Also auf zum Dörfer-Hopping! Die sind tatsächlich niedlich und romantisch. Besonders Sassnitz mit seinen weißen Häuschen im Laubsäge-Barock. Sassnitz war das erste Seebad auf Rügen. Hier verbrachten unter anderem Theodor Fontane und Johannes Brahms ihre Kur. Dass Lenin auf dem Weg aus dem Schweizer Exil zurück nach Russland durch Sassnitz gefahren ist, erfahre ich auf einer Gedenktafel. Allerdings hat er Sassnitz nie betreten, da man ihn in einem verschlossenen Eisenbahnwagon nach St. Petersburg schmuggelte. Der Beginn der Oktoberrevolution.

Und natürlich ist auch Sellin mit der außergewöhnlichen Seebrücke einen Ausflug wert. Die gefällt mir mindestens so gut, wie die riesige Mole vor Sassnitz. Beide ragen weit ins Meer und machen die Aussicht in „die andere Richtung“ möglich. Nämlich mal nicht vom Dorf aus aufs Meer hinaus, sondern vom Meer auf die tolle Küstenlinie. Eines meiner heimlichen Vergnügen!
Aber auch Schaprode im Westen hat seinen Charme. Dort ist es der eher ursprüngliche Dorfcharakter, Backsteinhäuser mit Reetdach, der das Dorf so markant macht. Wir schlendern durch den Ort.

Nur schade, dass es die ganze Zeit in Strömen regnet. Wir retten uns ins nächste Gasthaus, Lokal, Café, in die nächste Räucherei und in die nächste Eisdiele, wann immer das möglich ist. In Göhren gibt es leckeren Kaffee und einen Fischimbiss mit frisch geräuchertem Heilbutt. Sellin hat ein gutes Fischlokal. Und Sassnitz mit Dahlmanns Bazar eines der gemütlichsten Cafés, das ich an der Ostküste gefunden habe. In Glowe sitzen wir unter historischem Spannbeton und löffeln Sanddorneis.

Sanddorn ist auf Rügen übrigens eine ganz große Sache. Als ich in den 70er Jahren Kind war, zierten sich Parkanlagen im Rheinland mit Kartoffel-Rosen und Sanddornsträuchern. Das Sanddorn essbar und als Saft oder Konfitüre auch lecker ist, wussten meine Eltern glücklicherweise. Daher wurde ich schon früh zum Sanddorn-Fan und half bereitwillig, die stachlige Beute zu ernten. Lecker fruchtig und überaus gesund ist eigentlich alles, was man daraus machen kann. Hier an der Küste ist die „Orange des Nordens“ beheimatet und auch hier weiß man sie natürlich zu schätzen. In einem der Läden, in den wir vor den Schauern fliehen, finde ich ein ganzes Sortiment an Sanddornprodukten. Das sollte für viele wohlige Momente reichen, wenn ich wieder zu Hause bin.

Immer wieder wird es heller, der Regen weniger stark. Und ist da nicht sogar ein Stückchen blauer Himmel in Richtung Horizont? Wenn auch die Hoffnung gering ist, die Kleidung ist inzwischen wieder trocken und die klammen Finger ein wenig angewärmt. Also wieder raus!

Rügen im Regen

Die Brücke nach Rügen

Rügen im Regen

Die Kreideklippen

Rügen im Regen

Wurzelwerk

Rügen im Regen

Mächtige Buchen

Rügen im Regen

Findling

Rügen im Regen

Seebrücke Sassnitz

570 km Küstenlinie

Unsere Wanderung zum Nordperd machen wir im Nieselregen. Die Ostsee wirkt sogar ein wenig türkis, na ja, oder doch eher grau-blau? Der dichte Buchenwald tropft leise vor sich hin. Die feuchten Wege federn sanft unter unseren Schritten. Immerhin erhitzt man beim Wandern so nicht zu schnell.

Auf Rügen gibt es ganze zwei Nationaparks – Nationalpark Jasmund und Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft –  und ein Biosphärenreservat. Nämlich hier, rund um das Nordperd. Dazu noch knapp 30 Naturschutzgebiete. Das ist rekordverdächtig. Und nicht gerade selbstverständlich. Denn hätte es nicht einen emsigen Biologen gegeben – Michael Succow –  dann stünde vielleicht gar nicht so viel auf der Insel unter Naturschutz. Das war Glück und Zufall und Gelegenheit zugleich: Der engagierte Naturschützer Succow wurde nach dem Mauerfall in den letzten Ministerrat der DDR als Vize-Umweltminister berufen. Maßgeblich durch seinen Einsatz, wurden 4,5% der DDR-Fläche zum Nationalpark erklärt und alles in Gesetze gegossen. Dieses Erbe floss dann bei der Wiedervereinigung in die neue Republik und schützt fortan Moore und Seen und Wälder, unter anderen auch die Flächen auf und um Rügen.

Das Nordperd ist ein Kap und bildet den äußerst südöstlichen Zipfel Rügens. Dicht bewaldet, mit einer Steilküste, breiten Sandstränden und nach Westen hin einer Boddenlandschaft mit allem, was dazugehört, spiegeln sich hier alle Landschaftstypen wieder, die Rügen zu bieten hat. Ideal, um auf einer einzigen Wanderung ein komplettes Rügen-Feeling zu bekommen. Vor allem der Wald beeindruckt mich. Alt und knorrig.

Waldreich ist es auf Rügen durchaus. Und groß ist die Insel. Allein die Küstenlänge beträgt über 570 km. Um zu den einzelnen Orten zu gelangen, durchqueren wir dichtesten, tropfnassen und – wen wundert es im Winter – laubfreien Buchenwald. Im Sommer sieht das bestimmt super aus. Jetzt ist beige, grau und braun die vorherrschende Farbe. Darüber der bleierne Himmel und das nicht minder düstere Meer – ein Reigen aus fröhlichen Winterfarben.

Nachdem wir an (klippenfernen) Kiesstränden entlanggelaufen sind, Richy alles fotografiert hat, was sich nicht wehrt und ich etliche Hühnergötter gesammelt habe, tatsächlich ein wenig Bernstein entdeckt und wir weitere Cafés und Kneipen zum Trocknen und Aufwärmen besucht haben, bleibt noch ein letzter Tag, um sich Hiddensee anzusehen.

Rügen im Regen

Auf Hiddensee

Rügen im Regen

Wetter über Kloster

Rügen im Regen

Kloster auf Hiddensee

Rügen im Regen

Spaziergang zum Leuchtturm

Rügen im Regen

Das Standard-Motiv

Rügen im Regen

Variante

Ein Abstecher nach Hiddensee

Der Tag beginnt, wie die anderen Tage auch begannen: nass, windig, kalt.  Auf der Fahrt quer über die Insel Rügen und bis zur Fähre nach Hiddensee regnet es Bindfäden. An Bord bleibe ich gleich unter Deck, da ist es warm und trocken. Von nass, kalt und windig habe ich gerade gehörig die Nase voll. Wozu raus, wenn es nicht nötig ist? Wozu schon wieder nass werden? Richy ist pflichtbewusst oder sieht es eben anders. An Deck gibt es genug Fotomotive, sodass er sich draußen die Zeit der Überfahrt vertreibt. Aber was ist das? Ein Regenbogen über Schaprode. Dann bricht die Sonne durch und wirft goldenes Licht auf die Küste unter dem bleigrauen Himmel. Ungewohnt – so habe ich Rügen noch nie gesehen.

Beim Anlegen verziehen sich die letzten Wölkchen und wir haben einen sonnigen Tag auf Hiddensee vor uns. Wer hätte das gedacht. Die Insel ist klein genug, um sie zu Fuß zu erkunden. Das tun wir auch ausgiebig. Und es ist in der Sonne das reinste Vergnügen. Auch wenn es ungerecht ist: Damit wird mir Hiddensee wohl als die hübsche kleine Schwester von Rügen in Erinnerung bleiben. Und mein Lieblingslokal habe ich dort auch gefunden: Zum Enddorn in Grieben. Urgemütlich! Die Besitzer haben alles mit viel Liebe zum Detail eingerichtet. Treibgut und Schiffsausrüstung, Ölschinken mit tosenden Wogen und erhabenen Seglern, ausgediente Netze und Bojen. Zusammengenommen eine Mischung aus Meeres-Museum und Kuriositätenkabinett. Die Fischsuppe ist lecker und frisch. Und wir beide gestärkt für den nächsten Fußmarsch.

Den Namen Hiddensee finde ich wunderlich. Ich lese nach, dass er nordischen Ursprungs sei und dass der Name wohl einmal „Insel des Hedin“ bedeutet haben soll. Der Legende nach hat jener Norwegerkönig auf der Insel um etwas Wertvolles gekämpft. Worum, da ist man sich uneinig: Die einen sagen, um Reichtümer. Andere meinen, um die Liebe. Jedenfalls wurde die Insel bald dänisch und hieß lange „Hedins-Oe“. Erst im letzten Jahrhundert schliff sich das im Deutschen zu „Hiddensee“ ab.

Epilog: Die Fähre zurück nach Rügen kommt nach Einbruch der Dunkelheit und bringt uns zurück nach Schaprode. Nach den ersten Schritten an Land verspüre ich einige Regentropfen. Dann setzt der Regen ein und lässt nicht mehr locker, bis wir am kommenden Tag abreisen. Rügen kenne ich jetzt – im Regen.

Rügen im Regen

Auf Hiddensee

Rügen im Regen

Auf Hiddensee

Rügen im Regen

Auf Hiddensee

Rügen im Regen

Grieben auf Hiddensee

Infos

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Seebad Hiddensee
Hiddensee

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Rügen im Regen

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